"Der Mensch ist viel mehr ein, auch im tieferen Sinne genommen,
soziales Wesen, als man gewöhnlich meint."

 

Rudolf Steiner

Zur Biographiearbeit

Die menschliche Biographie kann als ein Kunstwerk verstanden werden. Deren vielfältige Themen, Melodien und Spielarten lassen sich durchwebend und durchlebend in jeweils einmaliger Weise erfahren. In diesem Verständnis kann jeder, der sich mit der eigenen Biographie , aber auch mit der anderer Menschen beschäftigt, diese zutiefst in ihrer unverwechselbaren Einmaligkeit erfahren.

 

Um dies verstehen zu können, muss zum einen der Begriff der „Entwicklung“ als wesentlicher Faktor der individuellen Biographie mit in die Betrachtung und Beschäftigung einfließen und gründen. Zum zweiten werden wesentliche Tatsachen, wie menschheitliche Faktoren, zeitliche Rhythmen sowie dem menschlichen Lebensgang zu Grunde liegende Gesetzmäßigkeiten zu kennen notwendig werden. Sie zu wissen und in der jeweiligen Biographie aufzufinden und in ihrer persönlich-individuellen Bedeutung, aber auch in der Beziehung zu den Menschen im eigenen Beziehungszusammenhang aufzufinden, läßt die Einbettung in die soziale Welt verstehen. Dazu gehören auch die auftretenden Widerstände, Hindernisse und Blockierungen, die in der biographischen Gestaltung oft als „Entwicklungshelfer“ auftreten und wertvoll und zielführend werden können.

 

In einer noch ganz besonders berührenden Weise lässt sich dies umfassend gesteigert erleben, wenn vorgeburtliche und nachtodliche Aspekte mit in die Betrachtungen einbezogen werden, erweitern diese Aspekte doch die Bedeutsamkeit des Einzelnen über seine aktuell sinnlich erfahrbare Wirksamkeit hinaus. Gesamtmenschheitlich hebt dieses Verständnis die individuelle Besonderheit biographischer Lebensbedeutung in einen transzendenten, über ihn hinaus existentiellen Gestaltungsauftrag für sein Leben und den gesamten Kosmos.

Zum Umgang mit Gesundheit und Krankheit

So, wie jeder menschliche Lebensgangseine individuelle künstlerische Ausgestaltung und Prägung erfährt, so ereignet und gestaltet sich dies auch in dem immerwährenden Balanceakt zwischen Gesundheit und Krankheit. Krankheit erweist sich in diesem Akt als eine Notwendigkeit für die eigene leiblichbezogene Lebensausgestaltung und seelisch-geistige Entwicklung des Menschen.

 

Erst dann wird die biographische Gesundheits- und Krankheitswirklichkeit menschengemäß verstanden, wenn die Leiblichkeit als ein Instrument für seine geistig-seelische Entwicklung und Verwirklichung erkannt ist. Aus dieser Erkenntnis und dem daraus resultierenden Verständnis können „Gesundsein und Krankwerden“ als ein eindringlich dialogischer Prozess dieser beiden Existenzebenen erscheinen. Diese beiden Wesensebenen können so als ein gegenwärtiges Ringen um eine „Symmetrie“ dieser beiden Kräfte nach innen wie nach außen erlebt und gelebt werden. Gesundheit wäre dann kein normativer Zustand des Menschen, sondern ein sich in seiner Integrität gegenüber der permanenten Krankwerdungstendenz zu erringender Gleichgewichtszustand. Zum Menschsein gehörend wäre dann also das in jedem Augenblick des Lebens potentielle Krankwerden bzw. Kranksein können, dessen heilende Überwindung dann der „Durchbruch“ zur Selbstbestimmung über das Eigensein – das „Eigentümliche“ der ewigen „Entelechie“ zur Erscheinung zu bringen.

 

Dieser zuletzt beschriebene Aspekt menschlichen Seins ist sowohl individuell biographisch wie menschheitlich biographisch von eminent existentieller Bedeutung – und daher selten als „willkürlich“ bzw. „von ungefähr“ zu verstehen.

Zur Sozialgestaltung

Schon indem sich der Mensch in einen Zusammenhang eines Elternpaares hineingebiert, begibt er sich in einen unmittelbaren sozialen Beziehungskontext er ist ein soziales Wesen von allem Anfang an. Aus einem leiblichen Angewiesensein über eine lebensgetragene Eigenorientierung zu einer seelischen Selbstwahrnehmung entwickelt sich der Mensch als einer primären Entwicklungsaufgabe – aber begleitet, gefördert und impulsiert durch die ihn schicksalhaft begleitenden verantwortlichen Instanzen. Durch diese wird er gefördert, gefordert und verstehend geleitet, sich seiner Beziehungsbedeutungen und Beziehungsfähigkeiten immer bewußter zu werden. In dem er dieses Ziel zu erreichen vermag, entläßt ihn die Gesellschaft aus dieser Abhängigkeit und diesem Angewiesensein in eine Mündigkeit gegenüber den Mitmenschen, in der sich auch ein Selbstwertgefühl und ein Selbstbewußtsein als Ergebnis dieser Reifeentwicklung darstellt.

 

Ab diesem Zeitpunkt gestaltet der mündige Mensch nun sein eigenes Schicksal in sozialer Verantwortung gegenüber sich und der Welt selbst – selbstverantwortlich. Er nimmt nun alles für die eigene weitere Entwicklung in eigene Hände. Nun besteht für den für sich Selbst sprechenden Menschen eine weitere Entwicklungsnotwendigkeit: zuerst auf einer seelischen Empfindungsebene, dann auf einer seelischen Verstandesebene bis zum Ringen auf einer seelischen Bewußtseinsebene – jeweils mit dem Ziel einer neuen selbstbewußten seelischen Fähigkeit – sich Selbst und der Welt gegenüber. Durch sich in der Auseinandersetzung und Begegnung von sich als Selbst und der Welt erscheint er geförderter, entwickelter und gereifter in einer neuen personalen individuellen Eigentümlichkeit.

 

So seiner Selbst bewußter vermag er nun, diese seine seelischen Fähigkeiten und Instrumente im weiteren Lebensgang auf eine höhere, geistigere Ebene zu transzentieren und so seine Entwicklungs- und Wertesozialität über sich hinaus erweitern. Darin liegt in einem besonderen Maße auch die Bedeutung und allgemein zu ersehende Tatsache, dass die Menschen weltweit immer älter werden, insbesondere aber auch in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Denn in dem der Mensch sich „über sich hinaus“ in seinen seelisch-geistigen Fähigkeit zu entwickeln vermag, enthebt er sich immer mehr den in der menschlichen Biographie innewohnenden Gesetzmäßigkeiten und förderungswirksamen Rhythmen irdischer Biographik ohne sich deshalb diesen ganz zu entziehen : In dieser „Befreiung“ aber liegt die Schicksalsaufgabe für das menschliche „Ich“ – seine eigentliche geistige Entelechie – seine geistige Dimension zur Erscheinung und zur Wirksamkeit zu bringen. Immer „befreiter“ gegenüber dem Leibe, immer „erfüllter“ in der eigenen Seele, immer „bewußter“ gegenüber der geistigen Dimension des „Ich“ – vermag sich eine neue Sozialgestalt zwischen Ich und Welt inkarnieren.

 

So, wie bereits in Bezug auf die Biographie des Menschen angedeutet und hingewiesen, kann nun unter Einbezug sowohl der vorgeburtlichen wie der nachtodlichen Dimension der menschlichen Existenz eine über den Einzelnen hinausweisende Entwicklung auch der gesamten Schöpfung zumindest als eine transzendente Durchgeistigung ahnend möglich zeigen : Geist – Begeisterung – Durchgeistigung – Vergeistigung.

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